Musiker üben – Sänger haben Talent?
Wie? Singen kann man lernen? Immer wieder begegnen Sänger/innen dieser Frage. Bei Instrumentalisten scheint die Sache klar: um auf einem Instrument spielen zu können, muss man üben. Dass auch gutes Singen nur durch regelmäßiges und zielgerichtetes Üben möglich wird, erstaunt Viele. Die Vorstellung, dass eine gute Stimme und mit ihr auch der Gesang angeboren sind, herrscht immer noch vor. Sicherlich: jeder von uns kennt mehr oder weniger Stimmbegabte. Aber warum sollte es sich darin schon erschöpfen?
Stimme – ein Instrument für jede/n!
Die Natur war gerecht: jede/r von uns hat ein Instrument! Jeder Mensch hat eine Stimme, die er in seinen Ausdrucksmöglichkeiten entwickeln und entfalten kann. Ausgehend von den jeweiligen stimmlichen Voraussetzungen kann jede/r unabhängig von Alter und musikalischer Vorbildung ihre / seine Stimme in ihren einzelnen Bestandteilen und Funktionen kennenlernen und ihre Ausdrucksmöglichkeiten erweitern.
Und wie kann man das Singen lernen?
Sowohl das gesprochene Wort als auch Gesang entstehen, indem wir uns das, was wir ausdrücken möchten, zunächst – sei es bewusst oder unbewusst – vorstellen. Umgesetzt wird unsere Intention danach durch das Zusammenspiel einer Vielzahl von Muskeln bzw. Muskelgruppen. Die bewußte Nutzung von Vorstellungen und muskulärem Zusammenspiel nennt man „Gesangstechnik“.
In der Gesangstechnik gibt es zwar grundsätzlich bestimmte Regeln, sie muss aber immer an die eigene Stimme angepasst werden; ein wichtiger Aspekt ist hierbei der reibungslose, ökonomische Ablauf der muskulären Aktivitäten, um die Stimme leistungsfähig zu machen und gesund zu erhalten. Darüber hinaus muss der Stimmklang zum gesungenen Musikstil passen. Der Aufbau der Gesangstechnik vollzieht sich durch genaues Zuhören, Nachempfinden und Nachahmen von Vorbildern, durch eigenes Experimentieren sowie durch das Vorstellen von Bildern, welche durch ihre Suggestionskraft Veränderungen im Singen auslösen sollen. Nach und nach entwickelt sich eine klarere Vorstellung von der „Handhabung“ der eigenen Stimme, ihrer Funktionsweise und ihren Ausdrucksmöglichkeiten.
Die gesangstechnischen Inhalte des Gesangsunterricht sind in der Regel:
- der Aufbau einer leistungsbereiten, ganzkörperlichen Grundspannung: eine „Gesangsbereitschaft“
- das Erlernen einer den Erfordernissen angepassten Atmung
- die Erarbeitung von Klang- bzw. Resonanzräumen
- die Erweiterung der dynamischen Fähigkeiten (Lautstärke)
- die Erweiterung der Flexibilität und der musikalischen Artikulation
- die Erleichterung und Verbesserung der sprachlichen Artikulation
Ein Ziel des Gesangsunterrichts ist es, über die Verbesserung der Gesangstechnik die eigene Stimme zu finden und optimieren.
Und was ist mit der Musik?
Gesangstechnik verfolgt keinen Selbstzweck. Sie ist einzig dazu da, unsere Stimme gesund zu erhalten und uns in die Lage zu versetzen, Musik ihren und unseren Bedürfnissen entsprechend zu interpretieren. Und sie soll uns ermöglichen, die Freude an der Musik durch Erweiterung unserer Möglichkeiten noch mehr auskosten zu können.
Je nach Möglichkeiten und Vorlieben werden im Unterricht Musikstücke unterschiedlichster Stilrichtungen erarbeitet. Neben technischen Aspekten soll es hier vor allem um den musikalischen Ausdruck und die Präsentation gehen.
Bei Bedarf kann auch ein Auftrittstraining hinzukommen.
Und was passiert sonst noch, wenn man singen lernt?
Singen hat viele Aspekte! Sie alle zu nennen, würde die Möglichkeiten dieser Seite sprengen. Die wichtigsten seien hier aber genannt.
- Die augenscheinlichsten sind natürlich die musikalischen:
eine Verbesserung des musikalischen (nichts physiologischen!) Hörens, eine Erweiterung des musikalischen Empfindens und Verstehens und somit auch der Gestaltungsmöglichkeiten. Gesangsunterricht erweitert den künstlerischen Horizont! - Da Stimme aufs Engste mit dem Körper verbunden ist, resultiert aus dem Unterricht ein verfeinertes Körpergefühl. Das Bewusstsein für Haltung, muskuläre Spannungszustände und Atmung wird immens verbessert.
- Stimme ist ein ganzheitliches Phänomen. Um singen zu können, müssen wir unseren Körper und unsere Gedanken ganz dem Singen unterstellen. Im Singen sind wir ganz bei uns und nehmen dennoch die Außenwelt wahr. Im Idealfall ist Singen wie eine Meditation und versetzt uns in einen entspannt-aktiven Körper- und Geisteszustand, der unserem Wohlbefinden dient.
- Wer singt, exponiert sich! Schließlich gibt man “lautstark” etwas von sich Preis. Das erfordert Mut und fördert unser Selbstbewusssein.
- Singen macht einfach Spaß. Besser Singen macht noch mehr Spaß!
Vieles davon wissen wir intuitiv. Und nicht selten stellen diese oder andere Aspekte einen Teil der Motivation dar, mit der Menschen in den Gesangsunterricht kommen. Es ist mir wichtig, diese Aspekte in den Unterricht zu integrieren, um so ein individuelles Konzept für jede / jeden zu erarbeiten.